»75 Jahre Schachnovelle« – Lesung aus Stefan Zweigs bekanntester Erzählung

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Plakat Ausstellung zur Lesung mit Bildern von Elke Rehder »75 Jahre Schachnovelle«

Eine sehr persönliche Ausstellung zum Jubiläum »75 Jahre Schachnovelle« mit Bildern von Elke Rehder in der Anna-Ditzen-Bibliothek Neuenhagen bei Berlin

Artikel von Raymund Stolze

Ich kann mich noch gut an diesen 7. Dezember 2007 erinnern. Das hat natürlich damit zu tun, dass an diesem Projekt meine Tochter Isabel, die seinerzeit Mediendesign studierte, aktiv beteiligt gewesen ist. In den damaligen Räumen der Emanuel Lasker Gesellschaft am Leuschnerdamm in Berlin-Kreuzberg wurde nämlich die virtuelle Ausstellung »65 Jahre Schachnovelle«, die Susanna Poldauf und Andreas Saremba konzipiert hatten, für das Internet freigeschaltet. Und die wirklich gute Nachricht ist: Sie kann bis heute besucht werden [Link: www.lasker-gesellschaft.de/schachnovelle/ausstellung.html].

Jener erste Freitag im Dezember war von den Ausstellungsmachern sehr bewusst gewählt worden, denn genau an diesem Tag war im Jahre 1942 in Buenos Aires die deutschsprachige Erstausgabe von Stefan Zweigs Erzählung in einer limitierten Auflage von 300 Exemplaren erschienen.

Der Autor hatte sein letztes Buch von gerade einmal rund 100 Seiten, das auch sein künstlerisches Vermächtnis darstellt. im brasilianischen Exil geschrieben, wo er seit September 1941 in einem Bungalow in Petropólis in der Nähe von Rio de Janeiro lebte. Allerdings glaubte er nicht an einen Erfolg der kleinen Novelle, sondern favorisierte in einem Brief vom 28. Oktober des gleichen Jahres an seinen Verleger Gottfried Bermann Fischer eher eine Liebhaberausgabe. An ihn ging auch eines der vier Typoskripte der Schachnovelle, die Zweig einen Tag vor dem gemeinsamen Freitod mit seinen zweiten Frau Lotte in der Nacht vom 22. zum 23. Februar 1942 versandt hatte. Im Exilverlag von Bermann Fischer in Stockholm ist 1943 eine deutsche Ausgabe in einer Auflage von 6000 Exemplaren erschienen.

Was die eher pessimistische Einschätzung des Autors angeht, so irrte er freilich gewaltig, wie allein die Statistik des Fischer Verlages eindrucksvoll beweist. In der regulären Taschenbuchausgabe hat man inzwischen die 68. Auflage (Dezember 2016) erreicht, in der Reihe »Fischer Klassik« ist die 7. Auflage im Januar 2017 ausgeliefert worden. Die Gesamtzahl der bei Fischer herausgegebenen Exemplare liegt bei weit über 2,3 Millionen, und der schmale Band hat sich zur wohl populärsten deutschsprachigen literarischen Verarbeitung des Schachspiels entwickelt.

Anfang 2017 habe ich mich gefragt, was denn für ein Projekt war zum Jubiläum »75 Jahre Schachnovelle« angemessen wäre, zudem in einer Gemeinde im Brandenburger Landkreis Märkisch-Oderland vor den Toren Berlins. Mit der Anna-Ditzen-Bibliothek hatte sie aber einen unbestrittenen Standortvorteil und zudem in Stefanie Reich eine engagierte Leiterin, die Ideen gegenüber stets aufgeschlossen ist.

Eine kleine, aber feine Bilder-Ausstellung im Eingangsbereich der Einrichtung schien die beste Lösung zu sein, obwohl ich um die provozierende und zugleich aber interessante Fragestellung des im April vergangenen Jahres verstorbene Kunsthistoriker Hans Holländer wusste, die von ihm in einem Beitrag für die von der Lasker Gesellschaft herausgegebene Broschüre 65 Jahre Schachnovelle veröffentlicht war:

»Gehört die Schachnovelle vielleicht zu denjenigen Texten, die sich nicht illustrieren lassen oder die zumindest der Übersetzung in Bildern nachhaltigen Widerstand entgegensetzen, so dass die Zeichner resignierten? […]

Vielleicht war der ‚Abstraktionsgrad‘ ein Hindernis für mögliche Illustrationen: Indessen ist die Schwierigkeit einer Aufgabe auch immer die stärkste Herausforderung in den Künsten gewesen. Worin bestand also die Schwierigkeit, was kann und soll Illustration leisten, und welche Weg haben diejenigen gewählt, die sich auf die Schachnovelle eingelassen haben?«

Zu jenen, die Zweigs Erzählung immer wieder zu künstlerischen Auseinandersetzungen anregt, gehört Elke Rehder. »In den vergangenen 25 Jahren schuf ich Gemälde und Grafiken, die in internationalen Buchausgaben und auf Plakaten im In- und Ausland Verwendung fanden.« Auf ihrer Webseite hat die in Barsbüttel bei Hamburg lebende Malerin und Buchkünstlerin ein sehr ausführliches Kapitel zur Schachnovelle gestaltet, dessen Inhalt sie ständig aktualisiert [Link: www.elke-rehder.de/stefan-zweig.htm].

Anfang 2017 habe ich deshalb bei ihr angefragt, ob sie sich vorstellen könnte, zum 75. Jubiläum der Schachnovelle eine Ausstellung mit ihren Werke in der Anna-Ditzen-Bibliothek zu zeigen. Ihre Zusage ließ nicht lange auf sich warten, und war dennoch im Ergebnis überraschend. Mit großem Eifer und Begeisterung wollte sie nämlich die verbleibende Zeit nutzen, um sechs neue großformatige Bilder (100 x 80 cm) in Acryl auf Leinwand zu malen. Diese wurden dann als Premiere erstmals vom 24. November bis 8. Dezember in Neuenhagen bei Berlin der Öffentlichkeit gezeigt. Außerdem präsentierten wir in einer Vitrine mit vier Etagen einige bisherige Arbeiten zur Schachnovelle von ihr wie sechs Farbholzschnitte auf Japanpapier aus eine Grafikmappe von 1996 oder eine Miniaturausgabe der Erzählung von 2014.

Zur in der örtlichen Presse angekündigten feierlichen Eröffnung gab es eine szenische Lesung von Stefan Zweigs literarischem Meisterwerk u.a. mit dem Schauspieler Ulrich Voß. Unbedingt zu erwähnen ist, dass im Vorfeld eine besondere Online-Aktion startete. Bei einer Preisfrage wurde jene Schachpartie gesucht, die Stefan Zweig skizzenhaft und unter Verfremdung ihres Ablaufs in seine Erzählung eingebaut hatte. Zu gewinnen gab es eine Originalgrafik von Elke Rehder zur Schachnovelle, zwei Karten für eine Vorstellung der Bühnenfassung der Erzählung im KLEINEN THEATER am Südwestkorso in Berlin [http://kleines-theater.de] – das Stück wurde seit der Premiere 2012 mehr als 100 Mal aufgeführt und steht weiterhin im Spielplan – drei Exemplare der Schachnovelle aus dem Fischer Taschenbuch Verlag sowie einen SCHACHKALENDERS 2018 der Edition Marco.

Die Resonanz auf dieses Projekt und die damit verbundene Wertschätzung war nicht nur in der regionalen Zeitungen und den bekannten deutschen Schachplattformen im Internet mehr als erfreulich. So kündigte beispielsweise die Internationale Stefan Zweig Gesellschaft [http://stefan-zweig.com/75-jahre-schachnovelle-bilder-zum-jubilaeum-von-elke-rehder/] mit Sitz in Salzburg auf ihrer Webseite die Ausstellung mit Text, Plakat und Flyer an.

Übrigens hat inzwischen eines der sechs Bilder »Ich Schwarz – Ich Weiß« – eine weite Reise angetreten, denn ein Kunstliebhaber in fernen Australien war so begeistert, dass er es noch vor dem Beginn der sehr persönlichen Ausstellung zum Jubiläum »75 Jahre Schachnovelle« unbedingt erwerben musste …

Szenische Lesung am 24.11.2017 um 20 Uhr

Anna-Ditzen-Bibliothek Neuenhagen
Hauptstraße 2
15366 Neuenhagen

Anfragen für Platzreservierungen 

Tel: 03342/80435
bibliothek@neuenhagen-bei-berlin.de